Wunderjahre

Atmen – die 5 wichtigsten Ideen aus dem Buch ‚Breathe‘ von Belisa Vranich 11/05/2018

 

#ibk #meinGehirn #Atem #Möglichkeiten

 

„Meistere Deinen Atem, und alles andere wird einfach!“

Vladimir Vasiliev, Mitbegründer der russ. Selbstverteidigungskunst Systema

 

 

Kontemplation an der Schnellstraße

 

Die Bilderstöcke mit Bildern des Rosenkranzgeheimnisses von Innsbruck nach Hall, meist entlang der Schnellstraße, sind ein paradoxes Sinnbild. Gemäß ihrer Bestimmung sollen sie zu Ruhe und Einkehr einladen. Die Einladung befindet sich allerdings kaum wahrnehmbar an einer stressvollen Hauptverkehrsstrasse. Der Stress hat längst gewonnen. Und an kontemplative Einkehr ist nicht zu denken.  Bewußtes und beobachtendes Atmen ist wie Bildstöcke auch eine Einladung aus dem Stress auszuscheren, und die wahrgenommene Verbindungsenergie zwischen Körper und Geist für einen selbst zu nutzen. Um den Stress zu wandeln oder mit erweiterten Möglichkeiten aus dem Atem auch noch anderes zu erreichen.

 

Bildstock an der vierspurigen Schnellstraße von Innsbruck nach Hall

 

Veränderte in der Atmung ist einer der Hauptindikatoren für Stress. Atmungsfrequenz, Tiefe der Atmung, und Mechanik der Atmung können aufgrund von Stress in verschiedenster Form verändert sein.  Bei anhaltendem Stress beeinflußt uns dann unsere veränderte Atmung weiter negativ. Da unsere Atmung beinahe alles beeinflußt kann sie auch ein wichtiger Teil der Lösung für beinahe alles sein.

 

Dr. Belisa Vranich ist eine klinische Psychologin in New York. Belisa entwarf aufgrund ihrer eigenen Stresserfahrung mit Zähneknirschen und veränderter Atmung ein Atemprogramm, daß sie im persönlichen Unterricht in ihren Atemklassen, in öffentlichen Vorträgen (TEDxManhattan Vortrag aus 2016 hier) und in ihrem Buch „Breathe“ weitergibt.

 

Bildergebnis für Belisa vranich breathe

 

Die Auseinandersetzung mit Belisa Vranich’s Buch half mir zu neuen Perspektiven meinen eigenen Atem zu beobachten und zu nutzen. Die fünf wichtigsten Ideen ihres Buches „Breathe“ für mich sind:

 

 

1.) Atmung ist degeneriert, bietet allerdings großes ungenutztes Gesundheitspotential

 

Haltung, meist Sitzhaltung oder ‚Mobiltelefonhaltung‘, gesellschaftliche Konventionen oder Schönheitsideale, wie Bauch einziehen oder Brust raus, Gewohnheiten, wie beim die Lunge abhörenden Arzt nach oben zu atmen, oder schließlich auch Mythen wie mit angehaltenem Atem mehr Kraft zu generieren führen zur Degeneration unserer Atmung.

 

Atem ist so vielfältig und tief mit dem Funktionieren unseres Körpers verknüpft. Dadurch ergeben sich mit dem Atem so viele Möglichkeiten unsere Gesundheit positiv zu beeinflussen.

 

Da ist z.B. die Einbindung des Atems in die Sauerstoff- und damit Energieversorgung jeder unserer Körperzellen. Mechanisch beeinflussen die sich immer wieder etwa auf Fußballgröße aufblasenden Lungenflügel unsere Mobilität und Stabilität, Lymphe und Immunsystem, Bauchraum und Verdauung. Biochemisch werden über die Regulation des Gasaustauschs von NO und CO2 Blutdruck und der Säure-Basen-Haushalt geregelt. Und bestehen viele nervliche oder zentralnervöse Verbindungen zum Atmen, so daß über den Atem nicht nur die Verbindung von Körper und Geist verbessert werden kann, sondern auch vielfältig auf das Gehirn und unsere emotionalen Zustände Einfluß genommen werden kann.

 

 

2.) Das Sitzen wieder lernen, oder Atemübungen sind einfach und wirkungsvoll

 

Wir atmen über 20.000-mal am Tag, meist unbewußt. Eine unglaublich einfache Möglichkeit den Atem zu beobachten, oder bewußt mit ihm zu üben. Einfacher geht’s kaum vielfältige Veränderungen in unser Körper-Geist-system zu bringen. Der Atem steht uns immer zur Verfügung. Es ist unsere Entscheidung ihn in unterschiedlichen Situationen zu beobachten, oder durch Üben zu verändern. Unser Atem ist eines der vielseitigsten Instrumente. Er steht uns immer direkt zur Verfügung, um ihn zu genießen oder zu erkunden.

Belisa Vranich’s ‚Breathe‘ bringt uns mit Atembeobachtungen und Atemübungen auf die Stufe der ‚bewußten Inkompetenz‘. Wir wissen jetzt, daß wir ein wunderbares Ateminstrument zur Verfügung haben. Mit Belisa’s Anleitungen bekommen wir Hilfe für’s Erkunden und Entwickeln und Genießen der verschiedenen Möglichkeiten unseren Atem zu nutzen. Atemübungen machen uns unser großes ungenutztes Potential deutlich. Üben wir gemäß Belisa’s Anleitungen werden wir langsam Stück für Stück ‚bewußt und kompetent‘ was unseren Atem betrifft. Es fühlt sich ungewohnt an. Wie wenn wir wieder bewußt lernen zu Sitzen. Vieles müssen wir mit Gedankenanstrengung auf den Weg bringen. Wo Hände, Bauch, Beine, Becken usw. hin müssen. Danach können wir allerdings ein paar einfache ‚Atemlieder‘ singen. Eine wichtige Stufe, bevor wir ‚automatisiert‘ ‚unbewußt kompetent‘ unseren Atem meistern und mit ihm situationsspezifisch variieren und Musik machen können. Die notwendige Energie für Spiel, Disziplin und Hingabe kommt dabei immer wieder aus den akuten Wirkungen, die wir mit Atemübungen erfahren. Damit wird Übung immer greifbar wirkungsvoll und macht Spaß. Atemübungen geben einem das Gefühl, es ist leicht, einfach, und Dinge können sich schnell ändern. Beste Voraussetzungen anzufangen und zu Üben.

 

 

3.) Atemübungen bieten viele Optionen

 

Atem beeinflußt wie weiter oben beschrieben viele verschiedene Körperfunktionen. Innerhalb unserer Leistungsgesellschaft denken wir bei Atemübungen meist an Intensiver oder weniger intensives Atmen. Wollen wir mehr Leistung, müssen wir intensiver Atmen oder unsere Kraft unter Belastung zu Atmen verbessern. Ist uns der Gegenentwurf zur Leistung, die Entspannung oder Erholung wichtig wollen wir langsamer und feiner atmen. Melissa Vranich mach in ihrem Buch allerdings darauf aufmerksam, daß mit Atemübungen verschiedene Qualitäten des Atmens mit den entsprechend verschiedenen Auswirkungen wichtig sind. In ihren Übungsvariationen macht Belisa Vranich darauf aufmerksam, daß Variationen in Körperpositionen, Rhythmen, Widrigkeiten, und Intensitäten, sowie Kombinationen dieser Übungen mit verschiedensten Auswirkungen den besten individuellen Nutzen bringen. Vielfältiges individuelles Atemüben, auch das Spielen mit verschiedenen Effekten bringt über die eine richtige Art zu Atmen oder die eine richtige Art Atem zu trainieren wirklichen persönlichen Nutzen, Anpassungsfähigkeit der Atemkraft für Körper und Geist.

 

Entsprechend der vielen Möglichkeiten Atem zu beüben, zusammen mit der Aufforderung Atemübungen mit den besten Wirkungen für sich zu entdecken bietet „Breathe“ im Text, in Fußnoten, und im ausführlichen Glossar vielfältige hilfreiche Links zu Atemwirkungen, Atemübungen, und Atemkonzepten. Bei mir ist der Eindruck entstanden‚ es lohnt sich den eigenen vielfältigen Atem zu entdecken‘.  Statt eines Standardrezeptes regt Belisa Vranich in Ihrem Buch viele Möglichkeiten und das eigene Erkunden der Atemvielfalt als lohnenswert an.

 

 

4.) Atem beeinflußt alles – Atemveränderung ist Teil der Lösung für jedes Gesundheitsproblem

 

Atem ist vielfältig mit beinahe allen Körperfunktionen verbunden. Möglicherweise ist von allen Körperfunktionen des Menschen der Atem am intensivsten mit allen anderen Ebenen des Menschen verknüpft.

  • mechanisch bestehen zahlreiche Wechselwirkungen zwischen Atembewegung und Körperorganen;
  • den Kreislauf regulierend hängt die Atembewegung eng mit der Herzfunktion und dem Körper- und Lungenkreislauf zusammen
  • biochemisch wird über die Atmung die Sauerstoffversorgung, der Kohlendioxidspiegel, die Ionenkonzentration / der Säure-Basen-Haushalt und damit die gesamte Energie- und Stoffwechsellage beeinflusst;
  • nervös-reflektorisch wirkt sich die Atmung auf die Organe und deren Funktionen über vielfältige nervliche Verflechtungen aus. In der Formatio reticularis, einem komplex vernetzten Zentrum in der Tiefe des Stammhirns laufen Informationen aus Körper und Gehirn zusammen, die Aufmerksamkeit und überlebenswichtige Körperaktionen koordinieren;
  • zentral-nervös besteht ein tiefgreifender Einfluss der Organmotorik, vor allem der Atem-Motorik, auf die Großhirn- und Bewusstseinsvorgänge des Menschen und damit auf sein Empfindungs- und Gefühlsleben.

 

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, daß im Buch ‚Breathe‘ vielfältige Beispiele zu finden sind, wie Atem mit seinen Variationen Schmerz, Schlaf, Stress, Haltung, Gehirn, emotionale Zustände, und körperliche Leistungsfähigkeit beeinflußt. Atemübung, Spiel, Variation, und Widrigkeiten sind damit wichtige Bestandteile aller angestrebten Verbesserungen unserer körperlichen und geistigen Gesundheit und Leistungsfähigkeit.

 

 

5.) Einfache Atemleitlinien erleichtern den Start

 

Atem ist unglaublich vielfältig und hat vielfältige Wirkungen auf Körper und Geist, die sich individuell nutzen lassen. Für den größten individuellen Nutzen ist regelmäßiges persönliches Erkunden der Möglichkeiten und der Widrigkeiten essentiell. Damit man sich nicht gleich zu Anfang in all den vielen Möglichkeiten verliert, oder weil man unsicher ist über den eigenen ‚Atemstatus‘ gibt Belisa Vranich dem neugierig übenden Leser klare Starthinweise. Visuelle Hilfestellungen mit einfachen Zeichnungen zum Atemmechanismus oder den Atemübungen. Hilfestellungen für die beste Intention beim eigenen Atmen. Aufforderungen zum Üben, zum eigenen Üben und weiteren verfeinern der für einen selbst wirkungsvollen Atemübungen. Das ist mehr als nur die vage Aufforderung im Spruch „Übung macht den Meister“. Zusätzlich gibt’s Checklisten, z.B. für den Stressabbau oder für guten Schlaf. Wahrscheinlich am wertvollsten ist die immer wieder auftauchende Leitline mit einem rundum weiter und voller werden Rumpf tiefer und besser zu atmen. Trotz der vielfältigen Information fühlt man sich mit Belisa’s Buch für die ersten Schritte zum besseren Atmen gut an die Hand genommen.

 

 

Atemübungen – vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten

 

Guter, wirkungsvoller Atem stellt sich selbstorganisierend ein. In unserer frühen kindlichen Entwicklung durchliefen wir diesen Lernprozess alle erfolgreich. Aus verschiedensten Gründen schleichen sich im Laufe des Lebens Veränderungen in unserem Atem ein, er wird weniger variabel und manche dieser Limitierungen haben deutlich negative Folgen für uns. Es lohnt sich daher in einem neuen, die Selbstorganisation unterstützenden Lernprozess unsere flexible Atemkapazität wieder herzustellen und unsere Anpassungsfähigkeit zu erhalten. Lernende Selbstorganisation ist ein Prozess in dem sogenannte Attraktoren einer Bewegung, Aspekte die stabil und kontrolliert sein müssen, durch flexiblen Gebrauch von Fluktuatoren, Bewegungsaspekte die sich situations- und umgebungsabhängig verändern können, gestärkt werden. Niemand kann genau sagen, wie das am besten zu machen ist, da jeder persönlich seine eigenen Bewegungslösungen und Mechanismen entwickelt hat.  Niemand kann dem lernenden atmenden System direkt sagen, wie es sich am besten selbst organisieren muß. Alles was ein guter Coach tun kann ist Umgebungs- und Situationsbedingungen herzustellen, die optimale Entwicklungsmöglichkeiten für das sich selbst organisierende Atemsystem kreieren, um individuell wirkungsvolle Prinzipien und Lösungen zu finden. Belisa Vranich schafft es in ihrem Buch sehr gut eine wirkungsvolle Übungsumgebung mit Vielfalt und Variation, sowie mit Herausforderungen und Widrigkeiten zur Verfügung zu stellen. Bleibt man im Vertrauen an die nützliche Selbstorganisation des eigenen Atems dabei und übt vielfältig stellen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit durchs Atmen individuell schnell positive Veränderungen in Körper und Geist ein.

 

 

 

 

 

 

1 Kommentar

  1. Mag. (FH) Ivana Vötter sagt:

    egal was ich auf Ihrer Homepage lese….bin begeistert und es wird Zeit dem Zauber des Atems wirken zu lassen, in einer Zeit der Atemlosigkeit.

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