Wunderjahre

Sich Zeit lassen – Weltmeister oder Lernende – Perspektiven 09/10/2018

 

#Ibk #meinGehirn #Motivation #Ziele #sichZeitlassen #ohneAngst

 

 

Kletterweltmeisterschaften in Innsbruck

 

„Freude, Glück, Erfüllung, Humor und das Empfinden von Leichtigkeit sind Kennzeichen guter Lösungen und Entwicklungen sagt unser Gehirn, daß immer alles automatisch im eigenen Sicherheitsfilter überprüft. Je nach Beurteilung wird mehr oder weniger Mobilität, Kraft oder eine Handlung zugelassen. Eine positive Beurteilung in uns läßt mehr zu. Das macht sich daher als Haltung auch gutes Gesundheitscoaching zu nutze.

 

Was hat das nun mit den aktuell omnipräsenten und Erfolge produzierenden Kletterweltmeisterschaften in Innsbruck (Standard.at Bericht mit Video zum Weltmeistertitel des Innsbrucker Lokalmatadors Jakob Schubert hier) zu tun?

 

Leistung begeistert und motiviert. Im Wettkampf feiern wir meist den Sieger, den Kletterweltmeister. Leistung und Person motivieren zur eigenen Leistung. Man setzt sich selbst neue Körperziele oder Bewegungsziele. Weil’s so erstaunlich zu sehen war, weil die Leistung Fitness und Gesundheit ausstrahlt, weil die siegreiche Person begeistert.

 

Es gibt viele Gründe, wie mit dem Erlebnis der Kletterweltmeisterschaften persönliche Ziele für Bewegung und Gesundheit entstehen. Es lohnt sich daher ein paar Gedanken über den Umgang mit Zielen zu machen. Einige Ziel-Perspektiven sind hilfreich andere hinderlich.

 

 

Gipfelperspektiven

 

Das Wesen des Sports und natürlich auch des Klettersports ist Motivation. Ohne Motivation sind weder im Sport noch im Alltag große Leistungen möglich. Unmotiviert werden keine Gipfel erreicht. Gleichzeitig ist eine übersteigerte Leistungsmotivation der schlimmste Widersacher, um Meisterschaft in irgendetwas zu erreichen, z.B. große Wände oder Gipfel zu besteigen. Ambitionierte Ziele sind OK. Der beste Weg diese Ziele zu erreichen besteht in der Kultivierung moderater erreichbarer Erwartungen für jeden Schritt auf diesem Weg. Anders ausgedrückt: Wenn wir einen Berg besteigen, sollten wir den Gipfel zwar wahrnehmen, aber nicht dauernd auf ihn schauen. Wir sollten unsere Aufmerksamkeit auf den Weg, die nächsten Schritte, den nächsten Halt beim Klettern richten. Und dann, wie es Zen-Begeisterte ausdrücken, wenn wir die Bergspitze erreicht haben, einfach weiter steigen oder klettern.

 

 

Leistungsmotivation und Widerstände

 

Haben wir dann eine Erwartung an die Bewegungsleistung, so messen wir ihr auch meist einen bestimmten Wert bei. Unsere spezifische Motivation für Bewegung ist entstanden. Wie gut wir Lernen, oder ‚Weiterkommen‘ ist dann von dem für uns erwarteten Wert bzw. dem Nutzen der Bewegung abhängig. Im Gegensatz zur Motivation aus sich selbst heraus, eine Bewegung wird selbst als interessant und ermutigend betrachtet, stehen die beübten Bewegungen im Hintergrund. Im Vordergrund steht dann das Ziel, der Nutzen, der damit erreicht werden soll. „Wir sind von aussen motiviert“. Wir schauen die ganze Zeit nur auf den Gipfel.

 

Mit dieser Leistungsmotivation existiert ein Gütemaßstab, an dem wir uns messen. Die Lern- und Bewegungsmotivation entsteht dann einerseits durch die Hoffnung auf Erfolg (Erreichen des Ziels) oder die Furcht davor, das Ziel nicht zu erreichen und zu scheitern. Kündigen wir leistungsmotiviert an was wir wollen oder legen so motiviert unsere Ziele fest, die Gipfel die wir erklimmen möchten, dann …

 

  •      steigen die Chancen, das Ziel, den Gipfel zu erreichen, und gleichzeitig
  •      steigt auch…..die Chance, dass wir enttäuscht oder frustriert werden

 

Für viele Leute ist es dann besser, nicht zu erreichen, was Sie wollen, als enttäuscht oder frustriert zu werden. Der Widerstand, die Angst enttäuscht zu werden oder mögliche Frustration sind sehr mächtig.

Da nützen auch klare oder intelligente Ziele oft nichts. Wir können den Gipfel anstarren oder ihn uns immer wieder in Gedanken ausmalen oder uns als Vision in Gedanken selbst auf den Gipfel stellen. Die Widerstände sind trotzdem da und wir können so von aussen motiviert auch unsere vielfältig vorhandenen uns unterstützenden Ressourcen nicht wirklich aktivieren und nutzen.

 

Was könnte denn statt der Magie des Besonderen, der Leistung, des Gipfels besser funktionieren?

 

Wir könnten mit unserer Einstellung mit unseren Worten Perspektiven schaffen, die den Kontext verbessern, eine andere Balance aus Widerständen und Ressourcen schafft und so Veränderung erleichtert und unterstützt. Unser eigener Lebenssinn wird so optimal unterstützt oder ausgebildet.

 

Wie könnte das zum Beispiel aussehen?

 

 

Sich Zeit lassen – Ressourcen aktivieren, Widerstände umgehen

 

Etwas für ein Endergebnis zu tun, macht es schwerer dieses zu erreichen. Oberflächlich gesehen, klingt das unsinnig. Neben Ereignissen wie die Kletter WM in Innsbruck und ‚Klettergeschichten‘ gibt es aus den Kampfkünsten unzählige Beispiele, in denen Leute durch eine Leistung zur Leistung motiviert werden. In Zen Geschichten zum Schwertkampf wird allerdings oft deutlich gemacht, daß die Motivation bestimmte Fähigkeiten beim Schwertkampf zu erreichen eher hinderlich ist und dazu führt, daß es länger dauert, bis Meisterschaft erreicht wird, oder nichts Nützliches länger bleibt. Sich Zeit lassen für die  Hingabe an den Weg ist wichtiger. Erwartungen an ein Endziel können entmutigen und blind machen für Kompetenzen und Möglichkeiten. Anstatt den Weg zu erkunden, Entdeckungen zu machen, Möglichkeiten zu nutzen, zu genießen, und zu lernen und zu wachsen konzentrieren wir uns nur auf die Zukunft, auf den Gipfel. Kurz, übermotiviert auf ein Ziel hinstrebend übersehen wir das Meiste, übersehen wir Nützliches.

 

Haben wir irgendwann geleistet, was wir wollten, haben wir unser Ziel erreicht. Wir realisieren, dass die Freude darüber, der kurzfristige Genuss in keinem Verhältnis zu einer vielfältig nützlichen und glücklichen Reise steht.

 

 

Sich Zeit lassen, die Angst lassen

 

Statt einem Aufbruch zu Reise kommt es auch oft nicht zum Aufbruch zur Reise. Wir sehen nur die hohe Wand, den hohen Berg, und die Angst überkommt uns. Die Angst, daß wir zu spät, zu alt, zu schlecht oder sonst was sind, oder der Berg vielleicht zu hoch ist. Oder schon leistungsmotiviert unterwegs kommen wir nicht weiter oder sind mit unserem aktuellen Status und Vorwärtskommen unzufrieden.  Unsere eigene Angst hemmt uns überhaupt anzufangen oder äußert sich als Frustration, wenn wir scheinbar unserem Leistungsziel nicht näher kommen.

 

Im Unterschied zur einfachen geduldigen Ausdauer bedeutet sich Zeit lassen aktiv auf ein Ziel hinzuarbeiten ohne uns ein Limit zu setzen, wie lange, wie, und wie hart wir daran arbeiten müssen. Diese Einstellung befreit. Befreit von der Angst, befreit von falschen Erwartungen, und läßt uns mit unseren Erfahrungen mit unsren eigenen Ressourcen in Kontakt kommen, wie wir unsere wichtigen Ziele besser erreichen.

 

Meist wenn wir uns Zeit lassen sind wir dann schneller und besser als wenn wir uns drängen.

 

 

Sich Zeit lassen, die eigenen Gesundheitskräfte lassen

 

Perspektiven, Programme, die Bewegung, Gesundheit, Leben als Prozess, als Weg oder Reise verstehen, für den wir uns Zeit lassen, eröffnen eine Fülle von Handlungsmöglichkeiten. Das ist ein deutlicher Unterschied zum jugendlichen an Faltenfreiheit und an Leistung orientierten Verständnis von Bewegung, Gesundheit und Leben. Faltenfreiheit und Leistung, meist schnell und leicht,  vermarktet sich medial besonders gut. Es spricht unsere innere Sehnsucht etwas Besonders zu sein oder Teil eines Besonderen zu sein an. Versprechungen oder Motivation etwas schnell zu erreichen oder zu haben wurzeln in unserem Überlebensinstinkt oder sprechen ihn an. Heutzutage ist unser Überleben meist nicht gefährdet, und der angesprochene Überlebensinstinkt verstellt oft die Perspektive für Aktivitäten, die uns langfristig weiterbringen oder eine nachhaltige Entwicklung ermöglichen.

 

Haben wir Vertrauen in unsere Zukunft thematisieren andere Mottos „Prozess statt Produkt“, „Leben ist eine Reise“, „Laß‘ Dir Zeit“ stattdessen worum es eigentlich geht: sich mit den persönlichen Annahmen über Bewegung, Gesundheit, Lebensweg, mit Zielen, dem Woher und Wohin und mit der zentralen Frage ‚erfahrend‘ auseinanderzusetzen: „Wozu will ich mich bewegen?“.

 

Das beinhaltet dann auch die Auseinandersetzung mit Limitierungen, individuellen Grenzen, und Schicksalsschlägen, mit dem Älterwerden, der Endlichkeit von Leben und dem Sterben, Erhalt oder Erweiterung von Lebensbalancen und Lebensqualität. Letztlich ist es ein Umgang mit den prägenden Sinnfragen und Lebensausrichtungen. Läßt man sich Zeit, erlaubt man sich diese Reise mit Bewegung bewußt zu machen. Das schafft nicht nur bessere Bewegung und bessere Lebenslandschaften sondern erlaubt auch den eigenen Sinn der Aktivitäten zu entdecken als Grundlage für eine wirklich starke und resiliente eigene Entwicklung. Vielfältige Anpassungsfähigkeit für was auch immer die Zukunft bringt, statt nur kurzfristiger einseitiger Anpassung. Sich Zeit zu lassen schafft so vielfältig nützlich mehr. Es nimmt die Angst, vielleicht nicht gut genug zu sein und erlaubt die scheinbar anstrengendere Erkundung der eigenen Besonderheit. Eine Entdeckungsreise, die lohnenswert ist und ohne die Enttäuschung eines nicht erreichten fremden Ideals auskommt.

 

Eine Entdeckungsreise, die so nicht nur lohnenswert, sondern die so gelassen Erfüllung und Leichtigkeit, Kennzeichen guter Entwicklungen bringt.

 

Mit dieser Einstellung ist unser Gehirn glücklich und läßt mehr zu. Es gibt in Folge nicht nur mehr Möglichkeiten, sondern mehr Kompetenzen oder Fähigkeiten mit diesen Möglichkeiten umzugehen. Optimale Bedingungen für jede Art persönlicher Entwicklung sind entstanden.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert